Wenige Wochen nach seinem 89. Geburtstag ist LBD a.D. Wolfgang Scholz an einem langjährigen Leiden verstorben. An ihn ist vor allem - trotz seiner nur kurzen Dienstzeit eben als LBD – wegen seiner Leistungen als Behördenleiter bei der Wiedervereinigung bleibend zu erinnern. Die erlebte er als geborener Berliner und überzeugter Feuerwehrmann. Scholz ist 1932 in Berlin-Tegelort geboren, ging dort mit 17 Jahren zur Freiwilligen Feuerwehr und wurde dort mit 25 Jahren auch ihr Wehrführer. Schließlich 1960, nach Abschluss seines Studiums, wechselte er mit 27 Jahren beruflich zur Berliner Feuerwehr.
Als Scholz am 1. Januar 1989 als LBD Leiter der (West-)Berliner Feuerwehr wurde, nahm er sich für seine verhältnismäßig kurze Dienstzeit als Behördenleiter die Erprobung und voraussichtliche Einführung eines neuen Helmes vor. Als auffällige Besonderheit vorangegangen war lediglich seine Verhandlungsführung mit DDR-Behörden zu Sicherheitsfragen, die schließlich die Einführung der damaligen Wasser-Unfall-Melder (WUM) zum Ergebnis hatten. Aber dann kam der Mauerfall am Abend des 9. November 1989, den LBD Scholz während eines Treffens von Berliner Behördenleitern erlebte. Er hat dann anschließend alle Ereignisse in seinem „Zeitprotokoll“ festgehalten.
Kontakte zwischen den beiden Feuerwehren in West- und Ost-Berlin gab es bis dahin (außer privat unter den Feuerwehr-Historikern) keine. Doch LBD Scholz gehörte zu denen, die den „Prozess der Wende und der Vereinigung erkennen, wollen und angehen“. Einen ersten Kontakt gab es durch die Berliner Feuerwehr-Historiker, die einen Gruß vom (Ost-) Berliner Feuerwehrchef Oberst Meier übermittelten, auf den hin Scholz diesen sofort zu einem Treffen am Nikolaus-Groß-Weg einlud. Das verwirklichte Oberst Meier als Mitglied einer Delegation des DRK (Ost) am 13. Dezember 1989, wo er auf den hocherfreuten LBD Scholz traf. Von diesem Moment an drängte Scholz auf gegenseitiges Kennenlernen und so trafen sich die Behördenleitungen wechselnd auf der jeweiligen Seite, erstmals am 5. Januar 1990 in Ost-Berlin. Aber gegen solche Gedanken gab es damals auf allen Ebenen Widerspruch, teilweise heftig. In dieser diffusen Lage äußerte bereits am 2. März 1990 der britische Vertreter der west-alliierten Sicherheitsoffiziere in einer lockeren Besprechung völlig überraschend, er, LBD Scholz, würde bestimmt in wenigen Monaten Chef der Gesamt-Berliner Feuerwehr sein, was Scholz geradezu verblüffte; so etwas schien damals weithin unvorstellbar.
Doch die politische Entwicklung ging rasch voran. Inzwischen gab es mit Hilfe der damaligen Regionalausschüsse eine beginnende Zusammenarbeit auf vielen Ebenen, die aber stets weiterhin beargwöhnt wurde. Doch Scholz drängte, ihm war ein wiederhergestelltes ganzes Berlin vorstellbar. Seit den Märzwahlen in der DDR zeichnete sich unerwartet die Möglichkeit einer engen Zusammenarbeit ab. Immer wieder gab es Situationen, in denen Entscheidungen der Aufsichtsbehörde ausblieben, weil die nicht dazu kam oder die Lage im Feuerwehrbereich weiter war als in der großen Politik. Scholz entschied dann selber, aber immer in Richtung Zusammenführung. Diesen Begriff bevorzugte er, weil sich die Feuerwehr immer wieder mal „vor der politischen Lage“ befand und es geschickter wirkte, wenn die Feuerwehr nicht so entschieden klang. Das entsprach dem Charakter von Scholz, der ganz gerne Probleme mit Kompromissen löste. Allerdings zeigte er sich beim Erreichen des Ziels ohne Kompromisse.
Seit Mai 1990 zeichnete sich zwar die Möglichkeit einer Vereinigung ab und auf der Ostseite arbeitete die neue Führung an der „Passfähigkeit“, aber alle Entscheidungen trafen auf Gegenmeinungen. So war es beispielsweise für Scholz erst tunlich, Westfahrzeuge in den Osten zu übergeben, als in der (West-) Feuerwehr ein Personalwechsel in der Leitung der Fahrzeugabteilung eingetreten war. Oder der Vorbeugende Brandschutz nahm trotz Drängens von Scholz erst Fühlung auf, als es in der Sache wirklich nicht mehr anders ging. Ein neues Problem trat auf, als bei den nun laufenden Verhandlungen die Führung der Ostseite den Rettungsdienst nicht in der Feuerwehr sehen wollte, also die Ost-Berliner Regelung mit Hilfe des Rettungsamtes auf ganz Berlin übertragen wollte.
Mit der politischen Wiedervereinigung kam es - für West- und Ost-Feuerwehr völlig unerwartet - zu der Gehaltsentscheidung, im Ostteil nur 60 Prozent der Westbezüge zu zahlen. Zum anderen verblieb der Rettungsdienst im Ostteil beim Rettungsamt, womit dort nun sowohl Feuerwehr als auch Rettungsamt den Rettungsdienst nebeneinander versahen. Dass die Freiwillige Feuerwehr den Bezirken weggenommen worden war und zur gesamt-städtischen Behörde gewechselt hatte, schien wohl genug Anpassung.
Trotz der Gehalts-Entscheidung (laut vorgetragene Stimmung im Ostteil: wir sind echt zweiter Sieger) standen nun zahlreiche Probleme an, deren Lösungen teilweise sehr umstritten waren. Um nun auch intern die von ihm gewollte Zusammenführungder Feuerwehren zu erreichen, entschied Scholz, jeder Beschäftigte der Feuerwehr (im Ostteil alles Angestellte) habe mindestens drei Monate auf der anderen Seite Dienst zu tun; das fiel doch teilweise sehr schwer. Aber gerade dies war für ein neues Gemeinschaftsgefühl so immens wichtig. Zur Besetzung der Stellen entschied Scholz, alle Ost-Stellen werden nur von Ost-Beschäftigten besetzt. Dies führte zu einigem Ärger beim Westpersonal, das auf seine (jedenfalls so empfundene) bessere Ausbildung pochte. Aber Scholz, der sich vereinigen, aber nicht siegen wollte, blieb dabei. Zwar mussten sich die Ost-Beschäftigten des gehobenen und des höheren Dienstes erstmals in ihrem Dienstleben für angestrebte Stellen bewerben und wurden von Auswahlkommissionen für die künftigen Dienstgrade neu ausgewählt, aber so verblieb jeder in seiner Ausbildungsebene, was nun auch für die West-Kollegen verständlich war. Im mittleren Dienst mussten alle Ostkollegen die Rettungsausbildung absolvieren, was aber durch die darauf folgende bessere Eingruppierung doch einigermaßen beschwerdefrei verlief.
Um den 72-Stunden-Dienst auf der Ostseite auf den 56-Stundendienst des Westens abzusenken, wurden 283 feuerwehrtechnische Angestellte aus aufgelösten Betriebs- und Freiwilligen Feuerwehren innerhalb eines halben Jahres eingestellt. Beim vorhandenen Ost-Personal wurde von Scholz entschieden, keiner wird entlassen. Für die Unterbringung von eingeschränkt Dienstfähigen wurde eine Kommission gebildet, deren Vorsitz Scholz denn auch selbst übernahm.
Die Schutzkleidung auf der Ostseite erwies sich als sehr ungünstig, Scholz konnte Haushaltsmittel beschaffen, um wenigstens Sicherheitsstiefel und etwas später Helme ausgeben zu können. Aber schon ein Jahr später konnte doch mit der Ausgabe der gemeinsamen Einsatzbekleidung begonnen werden.
Bei den Fahrzeugen gelang es recht schnell, die Ost-Wachen unter Auflösung der Westfahrzeug-Reserve (in die Reserve wechselten Ost-Fahrzeuge) die Ostwachen mit Westfahrzeuge und ihrer weit besseren Ausrüstung für technische Hilfeleistung auszustatten, während die Freiwilligen Ost-Wehren zunächst einmal gut erhaltene Ost-Fahrzeuge bekamen. Da aber die Nachlieferung von Ost-Fahrzeugen praktisch sofort wegbrach, ging es ohnehin nur noch um Neubeschaffungen von Westfahrzeugen.
In diesen Jahren waren zahlreiche Entscheidungen zu treffen, an die heute wohl nicht mehr gedacht wird. Aus 18 Ost-Berliner Behörden war Personal zu übernehmen (rd. 1800 Personen), über zahlreiche Grundstücksfragen war zu entscheiden, besaß doch die Ost-Berliner Feuerwehr als Bestandteil der Volkspolizei keine eigenen Grundstücke und Dienstgebäude. Beispielsweise musste sich Scholz unter anderem mit der Frage befassen, vor anderen Geldausgaben erst mal die Beseitigung der Kohleheizung aller Ost-Wachen zu finanzieren.
Im Ostteil der Stadt war mit der Eingliederung der Berufsfeuerwehr in die Volkspolizei ein andersartiges Alarmierungssystem entstanden. Die Feuerwehralarmierung war mit der Rufnummer 112 (wohl wegen der örtlichen FF) von der Polizei getrennt geblieben, lief aber auf den zuständigen Wachen auf, während der Rettungsdienst über eine eigene Rufnummer 115 zu alarmieren war. Scholz gelang es im Februar 1991 im direkten Gespräch mit dem Leiter der Landespostdirektion, die Schaltung der 112- und der 115-Anrufe auf die Leitstelle der Berliner Feuerwehr zu veranlassen, was dann auch mit einigem technischen Aufwand geschah.
Scholz hatte nie aufgegeben, die Eingliederung des gesamten städtisch betriebenen Rettungsdienstes in die Feuerwehr zu fordern. Am 1. Juli 1991 war es soweit, das Rettungsamt wurde in die Berliner Feuerwehr eingegliedert. An diesem Tage endet das „Zeitprotokoll“ von Scholz; seine Ziele waren erreicht.
Als LBD Scholz am 1.Juli 1992 noch diese Wiederkehr der Berlinweit einheitlichen Notrufnummer erlebte, konnte er am Ende desselben Monats bei seinem Eintritt in den Ruhestand mit etwas Stolz schon auf eine wieder weitgehend einheitlich aussehende Berliner Feuerwehr zurückblicken.
Sf 22.8.