Oberbranddirektor Walther Gempp (1922 bis 1933)

Portrait

Walther Gempp

Wirre Zeiten und ein tragisches Ende

Zum Nachfolger Reichels wird der Leiter der Abt. III, Baurat Walther Gempp, bestimmt. Er  tritt ein schweres Erbe an. Was bislang nur auf dem Papier existiert muss er nun in die Tat umsetzen: Die Bildung einer Feuerwehr für die ganze Stadt. Das beginnt mit der Einführung einheitlicher Schlauchkupplungen, geht über die fernmeldetechnische Anbindung aller Dienststellen an das Netz der Feuerwehr, die Einführung einer einheitlichen Löschtaktik bis hin zur organisatorischen Einbindung der bis dato selbständigen Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren. Dabei sind die äußeren Umstände keinesfalls leichter geworden. Im Jahre 1923 lässt die Weltwirtschaftskrise die Inflation galoppieren. Kostete der einstündige Einsatz eines Feuerwehrmanns im Januar 1923 noch 500 Mark, sind es im Oktober bereits 210 Mio. Mark, ein Monat später 1,8 Trillionen. Dies schränkt die finanziellen Möglichkeiten Gempps stark ein. Er hat die Auflage, die Neubildung der Berliner Feuerwehr ohne Mehrkosten zu realisieren. Doch zum Nulltarif ist eine solche gewaltige Aufgabe natürlich nicht machbar. Gempp konzentriert sich zunächst auf die Erneuerung und Vereinheitlichung der Feuermelde- und Telegrafentechnik. Der Zug bildet die taktische Basiseinheit. Je nach vorhandener Technik gibt es aber Zwei-, Drei- und Vierfahrzeugzüge mit 12 und 14 bzw. 16 Mann Besatzung. Trotz der schwierigen politischen Lage macht sich Gempp auch an eine Modernisierung der Feuerwehr. Dazu unternimmt er Mitte der 1920er Jahre u.a. Reisen nach Salzburg, Paris, London und New York. Vor allem aus den USA bringt er viele Innovationen mit. In der noch jungen, aber zum Ende der 1920er Jahre sich allmählich stabilisierenden Weimarer Republik kann er einige Erkenntnisse aus diesen Reisen umsetzen: Er beschafft Kraftspritzen mit geschlossenen Mannschafts- und Geräteräumen, Krankenwagen, Rüstwagen und Löschboote. Für eine grundsätzliche Erneuerung und Vereinheitlichung der Fahrzeuge auf den nun 37 Berufsfeuerwachen gibt es jedoch keinen finanziellen Handlungsspielraum.

Der Reichstag brennt

Immer wieder muss die Feuerwehr nach schweren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen radikalen Gruppen, vor allem der NSDAP und den Kommunisten Erschossene bergen, Verletzte retten und Brände löschen. Mit der Ernennung Hitlers im Januar 1933 scheint sich die Lage zu verändern. In der Feuerwehr haben die Nationalsozialisten offenbar keine breite Anhängerschaft. Gleichwohl gibt es auch hier Parteigänger, die sich nun bestärkt fühlen, den Ton anzugeben. Walther Gempp steht der NSDAP offenkundig nicht sehr nahe. Er verbietet die Betätigung ihrer Unterorganisationen in den Feuerwehr-Dienststellen. 

Der Brand des Reichstagsgebäudes am 27. Februar 1933 bedeutet auch für die Berliner Feuerwehr eine Zäsur. Während des Strafprozesses am Leipziger Reichsgericht vertritt Gempp die Ansicht, dass nur mehrere Täter diesen folgenschweren Brand gelegt haben könnten und stützt damit damit indirekt die Behauptung der nationalsozialistischen Machthaber, dass diese Brandstiftung Fanal eines kommunistischen Aufstandes sei. 

Einen Monat später wird Gempp seines Amtes enthoben, weil er, so die offizielle Begründung, kommunistische Umtriebe geduldet habe. Immerhin wird Gempp nicht unehrenhaft entlassen, sondern in den Ruhestand versetzt. Ein juristisches Verfahren, das 1932 vor einem Arbeitsgericht begonnen hat, zieht indes immer weitere Kreise. Gempp und 16 andere Führungskräfte von deutschen Feuerwehren stehen im Verdacht, von einem namhaften Löschgerätehersteller unrechtmäßig Vorteile angenommen und sich sogar bestochen lassen zu haben. Walther Gempp wird 1938 zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. Gempp legt gegen dieses Urteil Berufung ein, verstirbt jedoch in Untersuchungshaft, bevor das Urteil rechtskräftig wird. Vermutet wird, dass er, so wie fünf weitere Angeklagte, Suizid begangen hat, um der Familie die Pensionsansprüche zu sichern.